Charanga Habanera - die kubanischen Wilden

Wenn der Name "Charanga Habanera" auftaucht, gehen die Assoziationen und Meinungen auseinander. Noch mehr wenn man von David Calzado spricht, dem streitbaren Chef der Truppe… Der Name Charanga irritiert etwas, denn die Gruppe hat mit dem Charanga-Stil etwa soviel zu tun, wie z.B. Pablo Milanes mit Son.

Havanna im Fieber
Man schreibe das Jahr 1993, als auf den kubanischen Bühnen eine wilde und freche Truppe junger cubanos locos auftauchen, um La Habana mit "Me sube la fiebre" (EGREM) durch zu schütteln. Man kannte bis dato CHARANGA HABANERA als Orchester mit Violinen und Querflöte im typischen Groove eines RITMO ORIENTAL (wo Calzado auch eine gewisse Zeit Mitglied war) oder ORQUESTA ARAGON. Und nun also das ganze gemixt mit Synthis, Snare und schwindligen Trompetensätzen. Hits wie "Fiebre de amor", "Pregon de chocolate", und "Te la voy a liquidar" -gesungen von Leo und Mario "Sombrilla" Jimenez" - tanzte schon bald ganz Havanna.

Preis EGREM 1994
Mit der Scheibe "Hey you loca, hey you crazy" (Magic Music) läuteten David und seine Kollegen defintiv die neue Ära ein und erhielten1994 auch prompt den begehrten PREMIO EGREM Popular. Frech kombinierten sie anzügliche Texte mit Amerikanismen und wahnwitzige Arrangements mit wilden Bühnenshows. Das Gerücht, dass im ehrwürdigen Teatro Nacional ein weiblicher Fan Hose und BH auszog und alles auf die Bühne warf, existiert immer noch hartnäckig. "La Charanga" forderte nämlich: "Quitate el disfraz…yo le quitaré con la Charanga Habanera". Calzado schrieb damals viele Stücke selbst, übernahm aber immer auch Kompositionen von Issac Delgado, Manolo "Medico de la Salsa" Gonzalez und Leonel Limonta (Bamboleo/Azucar Negra) oder arrangierte auch Klassiker neu wie "Pare cochero", eine Nummer aus den 40er Jahren.

Damit es alle wissen…
"Pa' que se entere La Habana" aus dem Jahre 1995 dürfte man zu Recht als den ersten Meilenstein der Band bezeichnen, nicht zuletzt auch wegen dem witzigen Booklet. Die Produktion trug ihnen grad mal ein erstes Verbot vom Staat ein. "Buscate un temba que te mantenga…". Der Song über den 30-50-jährigen weissen Touristen, der sich eine junge, hübsche mulata anlacht, sie heiratet und (resp. deren Familie) "unterstützt", ist legendär. Moderne Entwicklungshilfe so quasi. Der Song konnten und durften CHARANGA HABANERA nur im Ausland spielen. Dann aber auch der Titelsong "Nube pasajera" ein absoluter Hammertrack mit dem neuen Ausnahmetalent, dem Sänger Michel Maza. Oder "La Superturistica...en la tremenda pista de Buenavista…", derjenigen hübschen cubanas, die supertouristische Orte in Havanna aufsuchen, um sich von "Spendern" ihr Leben mit Dollars finanzieren zu lassen (zB. Jineteras). Der kubanische mulato hat da wenig Chance, denn was kann er denn schon mit Pesos ausrichten…ein hartes Bett vielleicht, eine baufällige Loge und etwas amor cubano, das reicht eben nicht ganz…

En vivo en CH
Den allerersten Live-Auftritt hatten Charanga Habanera in Zürich im Volkshaus im Juni 1995 mit einem spektakulären Set organisiert durch Radio Tropic. Der zweite Gig fand dann im ehemaligen Cubanito im Winter 1998 statt - nicht minder provokativ.

Charangeros im Delirium
1997 erschien "Tremendo delirio" (Magic Music/Universal) mit einer Charanga in der absoluten Höchstform. Wie auf "Pa'que se entere Habana" hat die Umsetzung der aktuellen Themen in den Strassen Kubas eine traumhafte Kombination mit dem typischen Habanera-Stil gefunden. Die Texte sind hauptsächlich auf den unerschöpflichen Fundus der (sexuellen) Beziehungen mit den Frauen fokussiert (Un disparo en la mirada), natürlich gewürzt mit zT. viel bissiger und sozialkritischer Ironie. Neu dazu stiess der Sänger David Lozada von Connexion Salsera, der auch eigene, gute Kompositionen dazu beisteuerte. Die frische Charanga-Hymne "Lola, Lola" spielt Calzados CHARANGA heute noch, doch genau welche bola es nun sei, weiss man auch heute noch nicht ganz….
Der Anti-AIDS-Song "Mi amor, cuidate, usa condon" war aktuelle Aufklärung für die kubanische Jugend, bessere Prävention bringt auch die Schweizer Aids-Hilfe nicht fertig. Leider verbot Fidel Castro den Jungs auch diesen Song zu spielen.

Trennung - was nun?
Und es kam noch schlimmer für die Charangeros: Als sie im Sommer 1999 an einem Konzert auftreten sollten, welches die Partei organisiert hatte, erschien die ganze Bande per gemieteten Helikopter in Kleidern mit Ami-Kleidern und deren Symbolen. Das war dem Lider Maximo zuviel und der Staat verhängte über Charanga Habanera ein Auftrittsverbot für ein Jahr auf der Insel.
Der Niedergang der legendären Truppe war somit nicht mehr abzuwenden, denn wie soll man denn so noch weiter als Musiker existieren können?
Die Truppe trennte sich bei einem grossen Streit nach einer Auslandtournee. Fortan gab es einerseits "Charanga Forever", mit "Sombrilla", Juan Carlos Gonzalez, Michel Maza, William Polledo, Pedro Pablo & Co und andrerseits David Calzados CHARANGA HABANERA mit neuen, jungen Musikern. Wir erinnern uns noch genau, als in Lima zuerst FOREVER auftraten und ca. ein Monat später HABANERA (es existiert auch eine Live mit "El baile del azucar" dazu). Beide behaupteten, die wahren Charangueros zu sein…das war schon witzig!

Wer ist der echte Charanguero?
David gab schon bald sein neues Album "El Charanguero Mayor" auf JMI Music heraus, am Piano und Gesang übrigens das Riesentalent Tirso Duarte, der gleich "Tema Introduccion", den Titelsong und "Riki rikon" komponierte, resp. sang (trat 2005 übrigens mit Afro Cuban All Stars an den Afro-Pfingsten auf). Originell die Einlage mit Reggae am Schluss von "Charanguero Mayor". Die Zeit der competition brach an und die neue, wilde Charanga Habanera unter Calzados Führung wollte beweisen, wer die Charangueros No.1 sind.

Chan Chan Charanga
Die Band festigte sich zusehends und Musiker wie Osmany Collado/Saxophon und Aned Motta/Gesang amteten zusehends auch als Komponisten. Zum Beispiel auf "Chan Chan Charanga!" mit einer witzigen Version von Compay Segundos "Chan Chan" und dem Hit "Ella es como es". Interessant sicher auch, dass die CD einerseits bei EGREM aufgenommen und in den Studios Abdala abgemischt wurde. David Calzado verstand es immer wieder, junge Talente um sich zu scharen: Randolph Chacon, der wilde Bassist, ganz in der Tradition von Pedro Pablo. Oder Yulien Oviedo, Megatalent an den pailas und Sohn von Calixto, Drummer von NG. Da wäre dann auch noch Ebblis May, der bereits eine Solo-CD im Gepäck hat und auch bekannt ist unter dem Pseudonym Bonny "El Bonny esta".

USA ahoi
Es folgte im Jahre 2002 eine ausgedehnte Tournee durch die USA mit einer Live-CD und einer Nomination für den Grammy Latino 03. Dies war für Calzado natürlich eine grosse Bestätigung und so fühlte er sich endlich rehabilitiert für sein musikalisches Schaffen. Der tren cubano à la Charanga war also wieder voll auf Kurs mit Halt an allen wichtigen internationalen Stationen wie Italien, Schweiz, Spanien, Canarias, Deutschland, Mexico, USA, Peru, Brasilien, etc.

David, der Chef
2003 folgte Davids offizielles Bekenntnis: "Soy cubano, soy popular" im Direktvertrieb durch sein Management www.altriritmi.com. Der junge Yulien singt da sogar noch auf einer der Balladen mit und demonstriert damit auch sein Können als Sänger. Zwei der neuen Hits, die immer wieder auch in Discos gespielt werden, sind "Marina quiere bailar" und das Titelstück, mit dem die Charangueros meistens auch ihre Show beginnen.
Die Tendenz, den Anfang mit einem eher süssen Gesang einzuleiten, um dann nachher mit typischer Charanga-Timba-Salsa weiterzufahren, hat David Calzado zu seinem Konzept gemacht. Die neueste CD "Charanga light" berücksichtigt auch den süsslich-schnulzigen Teil der harten Timba-Jungs: Balladen, Salsa romantica und Timba cubana gemischt mit virtuosen Arrangements der Trompeten- (u.a. Carmelo Andres) und Harmonieabteilung (Helder Rojas/piano, R. Chacon/bass). Mit ihren Texten finden sie aber immer wieder den Kontakt zu den eher jungen Fans, aktuelle Themen und Probleme der Jugend der Strassen Havannas werden direkt musikalisch umgesetzt.

Charanga Live 06
Nach einem kleinen Abstecher 2003 im Moods, spielen David Calzado y su Charanga Habanera nun bereits zum dritten Mal im LATIN PALACE in Zürich am Donnerstag 2. Februar 2006. Lasst Euch das Konzert nicht entgehen, denn live sind Charanga Habanera allemal eine Wucht und immer gut für Überraschungen! Die treibende und freche Show und die wilden Arrangements werden Schweizer, Kubaner, Latinos und Europäer gleichermassen begeistern.




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