Jetzt kommen die Chefs

Eine brandneue Doppel-CD mit diversen Formationen von der Insel stellt den kubanischen Trend Cubaton vor.

Mit "Cubaton" wollen junge Kubaner den Reggaeton, zu welchem die ganze Karibik Ingredienzien beigetragen hat, offenbar zur Chefsache machen. Als Entstehungsort von Reggaeton gilt die Karibikküste von Panama, da sich dort viele Jamaikaner angesiedelt haben, die ihren Ragga mit den Latino-Sounds verquickten, wobei der Bum-Tschak-Tschak-Rhythmus zuerst aus der Küche von Shabba Ranks gepeitscht sein soll. Der Trend breitete sich dann im ganzen Karibikraums aus, wobei die einzelnen Länder ihre speziellen Ingredienzien beitrugen. In Puerto Rico etwa, wo Reggaeton besonders populär geworden ist, bezog man das Zweiviertel-Bum-Bom der einheimischen und traditionellen Plena mit ein, die als ausgesprochen narrative Form auch ein Latin Hip Hop-Vorläufer ist.

In Kuba riefen die oft obszönen Reggaeton-Texte zunächst die Zensur auf den Plan, der vitale Trend liess sich aber auf die Dauer nicht wirklich unterdrücken. Kuba hat seit Jahren musikalisch kaum mehr Innovatives hervorgebracht, während zum Beispiel die Dominikaner mit der sich seit vierzig Jahren entwickelnden Bachata ein echtes Novum bis in die Pop-Charts katapultierten.

Nun will man in Havanna und anderenorts mit dem etwas forcierten Begriff "Cubaton" beweisen, dass man den Anschluss nicht verpasst hat. Schliesslich hat man ja ursprünglich auch Salsa erfunden. Das Schlagwort "Cubaton" deutet an, dass man sich durch einen entsprechenden musikalischen Drall vom Reggaeton-Einheitsbrei absetzen will. Exemplarische Beispiele von den CDs: "Me da tremenda pena" von Gente de Zona beginnt verträumt mit traditionellem Bolero, der von Streichern untermalt daherschwebt. Nachdem der ruhige Gesang durch Rap attackiert worden ist, setzt sofort das charakteristische Reggaeton-Tuff-Tschak-Tschak ein, als Zugabe wird noch ein bisschen speediger dominikanischer Merengue de Calle zwischen die Sequenzen gehackt. Auf "Entrale" der starken Sängerin Haila wiederum startet das Piano mit klassischen Claves, den rhythmischen Grundmustern afrokubanischer Musik. Der sowohl gesungene als auch gerappte Song mündet nach normalem Latin Hip Hop-Beat à la Orishas in Reggaeton. Dieselbe Haila überrascht uns an anderer Stelle aber auch mit dem Aufkochen von einer Art 80er-Jahre-Italo-Disco, was einigermassen erstaunlich ist, besteht doch Hailas Band aus Mitgliedern der berühmten Charanga Habanera, die seit den 80er-Jahren so gut wie jeden afrokubanischen Stil durchexerzieren. Eine Cut-Up-Technik, wie sie für den ganzen Sampler typisch ist.

Da die Kubaner stets aus ihrem formenreichen traditionellen Musikfundus schöpfen können, war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis junge Leute diesen in einen wirklich modernen Kontext jenseits der Orishas stellen würden. Insofern bietet diese Cubaton-Doppel-CD ein für die Sparte unvergleichlich farbiges Pansonikum aktueller musikalischer Cubanitá.

Cuba presents: “CUBATON / The new generation of modern Cuban rhythmen”

Doppel-CD, Atena Music / topas 476813